Hookup Kultur als Entmachtung der Frau

In traditioneller Rollenverteilung unter Voraussetzung von persönlicher Entscheidungsfreiheit waren Frauen Torwächter. Dadurch waren die Männer gezwungen, sich zu zu verhalten, wie es der weiblichen Natur entspricht: Höflich, bereit zu investieren, beschützend, fürsorglich. Natürlich galt immer noch, dass Frauen auf andere unmittelbare Reize zuerst reagieren: Breiter Rücken, schmale Hüften, gutes Aussehen, Dominanz, Humor und so weiter.

Wenngleich die tatsächliche Umsetzung ihre Tücken hat, konnte die traditionelle Rollenverteilung jedoch von ihrer grundlegenden Form her einen doppelten Filter zur Verfügung stellen:

  1. Die unmittelbare Ausstrahlung von Maskulinität sorgt für eine Vorselektierung. Attraktive Männer sind von vorne herein begehrte Männer — eine Binsenweisheit.
  2. Doch durch einen längeren und aufwändigeren Prozess des Umwerbens der Frau, ist eine unmittelbare Attraktivität des Mannes nicht genug. Im Laufe der Brautwerbung hat eine Frau viel Zeit einen Mann zu prüfen. Das erhöht die Anforderungen an den Mann.

Die vielleicht bekannteste Manifestation dieser Form ist die amerikanische Datingkultur. Durch die modernere Hookup-Kultur verlieren Frauen einen Filter. Der zweite Filter wird weitgehend aufgelöst.

  1. Durch das Versprechen auf schnellen Sex durch ein immer größer werdenden Pool von Frauen, den man durch Software wie Tinder effizient beernten kann, ist die Motivation von Männern sich um die Gunst einer Frau gesenkt. Es winkt das beständige Versprechen einer “leichten” Frau.
  2. Die sexuelle Konkurrenz unter Frauen ist vergrößert. Aus der Freiheit ist nun auch in gewisser Weise eine neue Anforderung an die moderne Frau gestellt: Will sie einen Mann an sich binden, muss sie dies in einem Kontext größerer und unmittelbarer Versuchung tun.

Gleichzeitig führt die Hookup Kultur zu einer generellen Verschlechterung der Qualität der Männer. Sie schafft weniger Anreize, sich zu einem Mann zu entwickeln, der einen Charakter hat, der auch für eine langfristige Bindung taugt. Nun spielen vor allem kurzfristige Qualitäten eine Rolle.

Nicht umsonst haben sich Phänomene wie Pickup parallel zur Auflösung der traditionellen Umwerbung der Frau gebildet. Wenn nun die unmittelbare maskuline Attraktivität die entscheidende Qualität ist, während sich gleichzeitig ein Feld bildet, in dem man sich für ungebundenen Sex ohne langfristige Hingabe entscheiden kann, gibt es das Problem der Paretoverteilung: Die obersten 20% der Männer sind von 80% der Frauen begehrt. Entsprechend ist die Verfügbarkeit von Sex. Wenige Männer leben in einer Welt des sexuellen Überflusses, während viele Männer ungebunden und ohne Partnerin (die Single- und Hookup-Kultur betrifft schließlich nicht nur die Frauen), mit großem Aufwand um die Frauen buhlen. Wir Menschen, insbesondere Männer, sind findige Ingenieure. Die Pickup-Gemeinschaften unterliegen kollektive Erkenntnis- und Tüftelprozesse, um diesen Anforderungen zu genügen. Dabei können wir zwei Formulieren wählen. Die erste ist eine positive aus Sicht der Männer und die zweite ist eine negative aus Sicht der Frauen:

  1. Welche Währung Frauen auch immer verlangen, wir Männer haben sie in der Tasche.
  2. Natürlich haben wir als Frauen sexuelle Freiheit eingefordert, aber das heißt nicht, dass ihr die Erlaubnis habt, uns zu manipulieren und auszutricksen.

Ich habe diese beiden Formulieren nicht umsonst gewählt. Was Pickup genau ist, hängt äußerst stark vom Blickwinkel der Betrachtung ab. Für Männer ist Pickup ein Vehikel der Selbstentwicklung. Frauen werden dabei allerdings zum Objekt und Mittel der Selbstentwicklung gemacht. Männer lernen zu verstehen, was sie tun müssen, um sexuelles Verlangen bei einer Frau auszulösen. Es ist aber eine Sammlung von Mitteln, um kognitive Verwundbarkeiten von Frauen auszunutzen, die seit vielen Millionen von Jahren Nebenprodukt des menschlichen Paarungsverhaltens sind. Pickup ist vergleichbar mit einer Lebensmitteltechnologie zur Herstellung von Fastfood.

Der sich Ernährende wird zum Objekt und Mittel der Entwicklung von Lebensmitteltechnologie gemacht. Es gibt keinen harten Eingriff in die Selbstbestimmung des Konsumenten. Er wird zu nichts gezwungen, sondern nur mit überzeugenden Angeboten konfrontiert. Wählen wir das Individuum als Grundeinheit unserer Betrachtung, liegt die moralische Last auf dem Konsumenten. Er hat schließlich die Wahl und bestimmt durch seine Wahl das Angebot: Die Nahrungsmittelindustrie kann nur das produzieren, was lange und stark genug nachgefragt wird. Ist die Grundeinheit unserer Betrachtung ein Kollektiv wie eine Gesellschaft, können wir beobachten, dass die Annahme auf Ebene des Individuums sich auf gesellschaftlicher Ebene scheitert: Die Industrienationen werden proportional zu den Errungenschaften der Lebensmittelindustrie fetter. Ebenso verstoßen Pickuptechniken nicht gegen die Selbstbestimmung der Frau. Noch stärker: Wäre es nicht eine äußerst abwertende Haltung, glaubte man daran, dass eine Frau sich durch einfache Taktiken in Gespräch und Körpersprache fremdbestimmten lässt? Doch die Techniken werden gelehrt, weil sie in gewisser Weise funktionieren. Die feminine Psyche reagiert auf maskuline Reize und lernt man diese zu senden, werden sie entsprechend empfangen. Zweifellos haben einige dieser Techniken an und für sich eine Wirkung.

Es gibt also gute Gründe dafür, dass die traditionelle Rollenverteilung auf Ebene des zwischengeschlechtlichen Werbungsverhaltens dem Schutz und dem Vorteil der Frauen diente: Von Männern wurden anspruchsvollen Auflagen verlangt, Frauen wurde als Torwächterrolle die Kontrolle und Macht zugesprochen.

Daher ist es kein Wunder, dass die Hookup-Kultur zum unmittelbaren Vorteil für Männer wird:

Of course, hooking up gives guys something as well, and It’s a big something: more immediate access to sex without having to work for it. One can argue that that helps explain its popularity. […] guys frequently create the social environment in which hooking up flourishes and set the expectations about what girls will do.1

Ebenso ist es kein Wunder, dass die Feministen zweiter Welle diese Hookup-Kultur auch unter diesem Aspekt bewerten:

Some older feminists have even suggested that men use the hookup as a revenge against women they believe are moving ahead of them in school and careers.1 (Meine Hervorhebungen)

Männer verändern ihre Paarungsstrategie und ihr Charakter, wie der eines jeden Menschen, nimmt die Form der an ihn gestellten Anforderungen an:

Wether spurred on by nefarious motives or simply enjoying the freedom of uncensored lust, guys have not doubt that they’re the winners in the hookup culture. “Because girls are more assertive, it’s easy for us to be assholes,” a senior man at GW told me.1 (Meine Hervorhebungen)


  1. Laura Sessions Stepp (2008): Unhooked. How Young Women Persue Sex, delay Love and Lose at Both, NEw York: Riverhead Books. S.38. auf Amazon ansehen 

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