Selbstachtung und Lebensziele

Mihaly geht von der These aus, dass Selbstachtung sich aus dem Verhältnis von Vorgenommenem und Erreichtem ergibt.

Selbstachtung ist vermittels höherer Zufriedenheit und Glücks ein Faktor der psychischen Stabilität. Ich denke, dass es besondere Eigenschaften von Spitzensportlern und ihrem teilweise extremen Training ist, diesen Zusammenhang weitesgehend zu entkoppeln. Sie schaffen es einen hohen Selbstwert und unerreichbare Ziele zu haben. Zumindest ist das ein Bild, welches auf den Motivationsvideos transportiert wird, ob dies der Realität entspricht, ist eine andere Frage.

Ein Problem, was ich bei einer empirischen Überprüfung (z.B. Persönlichkeitstest) sehe, ist der Faktor “Bescheidenheit”. Ein bescheidener Mensch, der dies vielleicht sogar gerade aufgrund unereichbarer Ziele ist, würde leicht in einem solchen Fragebogen als eine Person mit niedrigerem Selbstwert betrachten. Hier steht also zur Debatte, ob Bescheidenheit ein negativer Faktor für den Selbstwert ist. Mein Intuition sagt, dass es nicht so ist. Eine Rechtfertigung habe ich zur Zeit nicht.

Wenn gilt, dass die Selbstachtung ein wichiger Faktor zur psychischen Stabilität und Ordnung ist und das Vorgenommene wichtiger Faktor für das Erreichte ist, dann gilt die Forderung:

Verbinde einen möglichst großen Selbstwert mit möglichst großen Lebenszielen.

Oder als Frage formuliert:

Wie kann man sich unerreichbare Ziele stecken ohne sich an den Anforderungen dieser zu entwerten?

6 Responses to “Selbstachtung und Lebensziele”

  1. AzuB

    Ich kann deinem Gedankengang bzw. deiner Argumentation nicht wirklich folgen. Mir fehlt hier für die abschließende “Wenn-Dann-Regel” die Stabilität. Ich versuche es kurz zu fassen.

    Du beginnst mit Mihalys These zur Selbstachtung – verständlich und bekannt.

    Danach folgt deine Annahme, bezüglich Spitzensportler und deren Entkopplung des Verhältnisses von Vorgenommenem und Erreichtem. Begründung dafür ist das Bild, das Motivationsvideos vermitteln. Du schreibst: “Ob dies der Realität entspricht, ist eine andere Frage.” Ich würde eher sagen, dass es genau die Frage ist, die du behandeln solltest, wenn du eine Annahme zum Vorgehen von Spitzensportlern vorstellst. Wenn du für die Argumentation nur das Bild der Sportler und nicht die Sportler selbst heranziehst, kannst du auch immer nur die Wirkung des Bildes bestimmen, nicht die Wirkung bzw. das Vorgehen des Sportlers selbst.

    Danach folgt der Abstecher zur Bescheidenheit in empirischen Überrpüfungen. Die Gefahr, die du beschreibst ist für mich nachvollziehbar. Mir mangelt es nur an Belegen. Normalerweise greifen viele Tests auf Kontrollvariablen zurück und auf eingestreute Items, die genau solche Konstellationen auffangen sollen. Ein vorerst negativ beobachteter Wert wird durch einen zweiten Wert korrigiert. Dass dies nicht alle Tests tun oder können, steht außer Frage. Deshalb mein Gedanke eines Belegs. Gibt es einen oft verwendeten Test der deine beschriebene Problematik nicht beachtet? Dein Schluss ist jedoch, dass zur Debatte stehe, ob Bescheidenheit nun ein negativer Faktor für den Selbstwert sei. Nur seh ich hier keine Argumentation und auch keine mögliche Folgerung in diese Richtung. Dein Gang ist ähnlich dem: Wenn ein Test eine bestimmtes Merkmal nicht untersucht, steht nun zur Frage, ob dieses Merkmal überhaupt existiert. Dabei steht eigentlich zur Frage, ob er es untersuchen muss und wenn ja warum er es nicht tut oder kann und was er dafür tun müsste…

    Im finalen Teil kommst du auf den Beginn zurück – Mihalys These. Wenn: Selbstachtung wichtiger Faktor zur psychischen Stabilität – richtig, wenn man Mihaly folgt. Und: das Vorgenommene wichtiger Faktor für das Erreichte – woher kommt diese Annahme? Denke du meinst das richtige. Jetzt steht da lediglich, das dass Vorgenommen Faktor für das Erreichte ist. Stimmt ohne etwas Vorgenommenes ist ein bewusstes Erreichen des selbigen nicht möglich. Du meinst eigentlich Mihalys Teil des Verhältnisses zwischen Vorgnommenem und Erreichten, hast hier jedoch aus dem einen die Einwirkung gemacht und aus dem anderen das Ergebnis. Dabei soll das Ergebnis ja gerade die Selbstachtung sein. Zurück zur Regel. Dann: Forderung:Verbinde großen Selbstwert mit großen Lebenszielen oder als Frage: wie unerreichbare Ziele stecken ohne sich an Anforderungen zu entwerten. Der Aspekt der “Unerreichbarkeit” von Zielen wurde nirgends argumentativ eingeführt. Er ist Teil deines Gedankengangs zum Vorgehen der Spitzensportler. Wobei deine Annahme (oben angesprochen) nur ein mediales Bild betrifft und demnach nicht wertbar ist (jedenfalls nicht im Rahmen deiner gestellten Frage bzw. deiner Forderung am Ende).

    Damit baut deine “Wenn-Dann-Regel” meiner Meinung nach nicht wirklich auf einer Argumentation auf. Ihr fehlt die Basis.

    Puuh, sry. Doch lang.

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    • donnerundpflicht
      1. Nicht das Verhältnis von Vorgenommenen und Erreichtem ist entkoppelt. Das Verhältnis von Erreichtem und Selbstwert ist entkoppelt. Genauer: Ich nehme an, dass es bei Spitzensportlern so ist, wenigstens in den entsprechenden Motivationsvideos so dargestellt wird.

      2. Ob diese Entkopplung nur so vorliegt, oder nur als romantisches Bild in den Motivationsvideos präsentiert wird, kann nicht philosophischer Untersuchungsgegenstand sein, weil das eine schlicht psychologisch-empirische Frage ist.

      3. Daher habe ich auch lediglich ein Problem der empirischen Überprüfung dieses Zusammenhangs erwähnt, aber nicht ausgearbeitet. Aber auf Nachfrage: Jeder psychologische Test ist im höchsten Maße problematisch und kein Test kann verwandte Eigenschaften trennen. Diese Eigenschaften sind in ihrer Anlage schon schwammig, so dass sie sich einer empirischen Untersuchung entziehen. Dafür braucht man klare Grenzen. Eine Argumentation gibt es hier auch nicht. Ich sehe bloß das Problem. Solange sich keiner beschwert (so wie du), schreibe ich erstmal nichts dazu, solange ich es nicht für interessant halte. Jetzt ist das wiederum etwas anderes. Dann können wir gerne die epistemische Kraft von psychologischen Tests diskutieren. :) (Ich bin für sowas immer zu haben)

      4. Ich habe nicht weiter dargelegt, wie das Vorgenommene das Erreichte bedingt. Das ist richtig. Aber so ist das mit Texten. Annahmen bleiben immer unbegründet und ohne Annahmen kein Anfang. Jetzt, wo du diesen Zusammenhang problematisiert hast, reiche ich ihn natürlich nach.

      5. Ich sehe nicht, was du mit Einwirken und Ergebnis meinst.

      6. Das Unerreichbare in der Frage folgt notwendig aus der Forderung. Die größtmöglichen Ziele sind unerreichbare Ziele.

      Das Konditional (Wenn… Dann…) baut auf zwei Annahmen auf. Beide sehe ich als unproblematisch. Du soweit ich gelesen habe auch. Dann bleibt nur noch, ob die Schluss auch wirklich aus den Annahmen folgt. Auch das sehe ich nicht kritisiert.

      Man könnte das ganze so zusammenfassen:

      Die Selbstachtung setzt voraus, dass man seine Ziele auch erreicht oder ihnen nahe kommt. Die Höhe der Ziele bestimmt die Höhe der Leistungen (gutes Pferd springt, so hoch wie es muss). Wie kriegt man also die Ziele höher ohne seine Selbstachtung zu verlieren?

  2. AzuB

    zu 1. Okay, hatte den Teil von “dieser Zusammenhang” auf den vorigen Teil bezogen verstanden.

    zu 2. Dann finde ich diesen Abschnitt nicht besonders funktional. Ich sehe auch keine philosophische Untersuchung an dieser Stelle. Wenn hat sie keinerlei Gewicht für die abschließende Folgerung.

    zu 3. Indem du eine von dir befürchtete Gefahr ansprichst, handelt es sich doch bereits um Interesse oder nicht? Wenn du natürlich wirklich nur das Problem nennen willst, bleibt es im Raum stehen. Mein Gedanke ist an der Stelle, ein Problem eher dann wirklich zu nennen, wenn ich einen (einigermaßen) ausreichend großen Betrachtungswinkel erlangt habe. Natürlich – du sprichst vom Problem ausgehend keine Forderung aus, damit kann es freilig so stehen bleiben. Frage ist für mich dann nur, wozu es dann da ist. Den Gang zum Aspekt der Bescheidenheit sehe ich weiterhin nicht gestützt.

    zu 5. Ich glaube, dass ist eher eine sprachliche Sache. So wie du das Vorgenommene als Faktor des Erreichten benennst, klingt es als bestände ein einseitiger Zusammenhang. Dabei zitierst du zu Beginn ja (indirekt) bereits Mihaly, der von einem Verhältnis spricht. So klingt es nach einer Bezugnahme auf eben diesen ersten bzw. auch zweiten Abschnitt. Du meinst vermutlich aber den Aspekt Pferd-Höhe-Leistung, wenn du von Vorgenommenem als Faktor sprichst, oder?

    zu 6. größtmöglich ist für mich mit unerreichbar nur bedingt gleichzusetzen. Die “Möglichkeit” muss sich generell natürlich nicht auf das menschlich mögliche Handeln beziehen. Sobald allerdings “Ziele” in der Formulierung auftauchen, ist für mich die Gleichsetzung weitestgehend aufgehoben, da sich die Ziele im weiteren Sinne auf menschliches Handeln beziehen. Wenn man jetzt nicht fatalistischer Auffassung ist, stellen Ziele auch eine Aussicht auf Verwirklichung. Sie sind eben mehr als Wünsche. Damit würde ich “größtmöglich” nicht als “unerreichbar” betrachten.

    Letztere Zusammenfassung (Pferd-Höhe-Leistung) finde ich deutlich distanzierter oder vorsichtiger formuliert und kann ich ebenfalls nachvollziehen. Die Frage ist auch in bestehende Konzepte und Modelle zu Motivation, Selbstwert…. (Heckhausen und Co. z.B.) integrierbar, die sich mit ähnlichen Bereichen beschäftigen.

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    • donnerundpflicht
      1. Naja, einige Fragen entscheiden sich dann im empirischen Vorliegen. Ich versuche hier eine offene Stelle zu markieren, so dass klar ist, dass ich es nicht für unproblematisch halte.

      2. Hier will ich nur einem Problem der Empirie vorgreifen, weil es auf der einen Seite erstmal nicht Teil philosophischer Untersuchung sein kann, auf der anderen Seite aber wichtig ist um damit zu arbeiten. Ich markiere hier auch eine problematische Stelle, weil ich aus diesem Projekt noch eine ganze Anleitung zusammenstellen will. Deswegen ist es für mich wichtig alle offenen und problematischen Stellen im Vorfeld zu markieren. Das ist auch kein ausgearbeiteter Beitrag. Er ist provisorischer als die anfänglichen, weil ich einfach einen Zettel meines Zettelkastens als Gedankenabschnitt veröffentlicht habe.

      3. Ein Verhältnis kann auch einseitig sein. Deswegen verstehe ich den Unterschied nicht, den du hier einführst.

      4. Möglichkeit bezieht sich nur auf deine wahrgenommene Möglichkeit. Fatalismus hat nichts mit der Aussicht auf Verwirklichung zu tun. Fatalismus ist nur Determinismus als Verhaltensdisposition. Abgesehen davon, dass es auch einen weichen Determinismus gibt (und auch einen weichen Fatalismus), spielt das hier keine Rolle. Größtmögliche Ziele sind notwendiger Weise unerreichbar. Solange du nicht allmächtig bist, gibt es immer noch ein Ziel, das du nicht erreichen kannst.

      (Kleiner Vorausblick: Wenn mein Codingmonkey den Blog auf seine eigene Domain gebracht hat, veröffentliche ich wieder ein paar Sachen. Die nächsten Beiträge sollten Klarheit in diesen Zusammenhang bringen)

  3. AzuB
    1. Mahily zitierst du nicht mit dieser Einseitigkeit. Deswegen mein Kritikpunkt an dem späteren Verhältnis.

    2. Ich gehe vom Wortstamm aus. Der beschreibt relativ klar die Position. Ebenso könnte es heißen: Solange du nicht allmächtig bist, gibt es immer noch ein Ziel, das du erreichen kannst.

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  4. R

    Ich bin ein sehr bescheidener Mensch, meine Selbstachtung hängt sicher nicht von meinen Zielen ab. Ob diese bescheiden sind ist ebenfalls relativ. Einer möchte zum Mond, der andere gesund und zufrieden leben und seine Kinder großziehen. Ist das nun ein bescheidenes Ziel im Vergleich zum Astronauten? Kann der das auch? Oder könnte er, wenn er kein Astronaut wäre? Selbstwert nach meiner Auffassung ist auch sehr stark davon abhängig, ob man diesen bestätigt bekommt. Ich kann stolz wie Bolle auf mich sein, weil ich ein “bescheidenes” Ziel erreicht habe. Wird dieses nicht anerkannt oder mir sogar aberkannt, dann wird es schwer über die Zeit meinen Selbstwert, der erstmal ganz natürlich aus mir selbst entsteht – dabei kommt mir das Bild vom Kleinkind das stolz auf seinen ersten Haufen zeigt in den Sinn – aufrecht zu erhalten. Der Selbstwert ist meiner Meinung nach in uns angelegt und kann gefördert oder erstickt werden. Selbstgesteckte Ziele zu erreichen ist sicher eine Form den Selbstwert zu fördern. Ich meine das diese individuell sind, aber um größtmögliche Wirkung zu erzielen eben von anderen mitgetragen werden müssen. Das bedeutet, das große Ziele nur dann größeren Selbstwert fördern, wenn sie von der Masse mitgetragen werden. Jemand der im 18. Jh. die meisten Wale tötete war sicher stolz und wurde von der Gesellschaft für seinen Mut und Erfolg bewundert. Wenn das jemand heute als sein Ziel definierte und schaffen würde, wäre er zu Recht stolz auf sich, sein Selbstwert würde ob des erreichten Ziels steigen, doch es würde kaum von der Gesellschaft mitgetragen und bestätigt, eher doch kritisiert und aberkannt werden. Selbst wenn ihn das erstmal nicht kümmert so würde sein Erfolg geschmälert und über die Zeit könnte er daraus weniger Selbstwert schöpfen, da dies von außen nicht bestätigt wird. Ziele sind also nur dann hilfreich, wenn die Masse sie bestätigt. Zurück zum bescheidenen Menschen. In der chinesischen und z.t. auch in der europäischen Kultur galt der Bescheidene gern als Vorbild. Bescheidenheit ist eine Zier, sagt man. Doch gilt dies noch für das 21.Jh.? Nicht wirklich würde ich behaupten, da allgemein gesagt wird, das wir Ziele haben müssen, uns weiterentwickeln sollen. Doch hier gibt es ein feines Detail, gemeint ist nur die Weiterentwicklung Richtung höher, schneller, weiter im Sinne von effizienter, besser, gesünder, fitter, klüger, erfolgreicher, glücklicher. Es könnte aber auch eine Entwicklung zu tiefer, geduldiger, umfassender im Sinne von Bescheidenheit und Wesentlichkeit sein. Diese ist jedoch nicht anerkannt und wird spätestens durch die lutherische Ethik verteufelt.

    Selbstachtung ist uns von Natur aus gegeben, sonst wären wir Lemminge , wir schützen uns und unser Leben, damit achten wir es ausreichend. Alles andere ist eine Form der Hybris, die dem Menschen innewohnt mehr zu sein, mehr zu bedeuten als ein Blatt an einem Baum. Sein aus der Natur heraus transzendierte Existenz sucht vergeblich nach Bestätigung, nach Unterstützung für die eigene Selbstachtung die immer wieder ins Schwanken gerät, weil sie von anderen immer weniger bestätigt und anerkannt, sondern eher aberkannt wird und in Konkurrenz tritt. Ich bin mehr wert! Sieh meine Ziele und Erfolge! Sie wie viele dies anerkennen und bewundern was ich geschaffen. Zurück zum Kleinkind und stolzen Eltern “Das hast du aber gut gemacht.” Oder ging es doch nur darum endlich keine Windeln mehr wechseln zu müssen? Ohne die Anerkennung der Ziele durch andere sind alle Ziele gleich wert für die eigene Selbstachtung. Es spielt für den Einzelnen keine Rolle, ob er zum Mond fliegt oder nur die Wohnung tapeziert hat. Beides wird seinen Selbstwert steigern, wie sehr über das eigene Maß hinaus ist einzig und allein von der Anerkennung von Außen abhängig und wie sehr ich davon abhängig bin. Kleine Ziele und eine geringe Abhängigkeit der Bewertung durch andere fördern den Selbstwert stärker als ein großes Ziel, das nicht anerkannt wird.

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