Alles ist eine Botschaft an dich selbst

Egal, was du tust, du sendest dir damit selbst eine Botschaft. Wir befinden uns in einem andauernden Selbstgespräch, in welchem wir uns förderliche oder schädliche Wahrheiten einflüstern. Wir sind unser eigenen Souffleure.1

Ziehen wir zunächst ein Beispiel zu Rate, um dies zu illustrieren:

Nehmen wir an, dass du nur um deines inneren Selbst willen geliebt werden willst. Das ist einer der klassischsten Wünsche unserer heutigen Gesellschaft. Als Gegengewicht zu unserer sehr oberflächlichen und anonymisierenden Kultur, suchen wir nach etwas, das man als Berührung der Seelen verstehen könnte.2

Doch die Strategie, die viele Menschen wählen, um dieses zu ermöglichen, steht im absoluten Widerspruch dazu. Sie investieren sehr viel Mühe in ihre Erscheinung und bauen so eine Hülle auf, die erstmal durchstoßen werden muss, will man das Innere dieses Menschen kennenlernen. Warum sage ich Hülle? Nun, diese neue Erscheinung hat unter anderem folgende Eigenschaften:

Wir stellen unseren Körper anders dar, als er ist. Männer suchen nach T-Shirts, welche die Oberkörpermuskeln betonen und den Bauch verstecken, Frauen tragen Pushup-BHs und hohe Schuhe. Die Intention ist, dass etwas gezeigt wird, was ohne äußere Mittel in der Form nicht vorhanden wäre. Obwohl es eigentlich um etwas Inneres gehen soll, täuschen wir mit Mitteln des Äußeren. Wir verschieben nicht nur den Fokus auf das Äußere, sondern nutzen auch das Mittel der Täuschung. Täuschung verhindert, dass wir uns authentisch sind. Das Wesen der Täuschung ist es, dass Authentizität ausgeschlossen wird.

Was ist die Botschaft, die wir durch ein solches Verhalten an uns selbst senden?

Zunächst vermitteln wir uns selbst den Eindruck, dass Täuschung ein gutes Mittel ist, Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Es funktioniert natürlich. Wenn du hübsch aufgemacht in eine Disko oder Ähnliches gehst, wirst du mit mehr Aufmerksamkeit und Beachtung belohnt. Solange du gegen keine sozialen Konventionen verstößt, die höhere Kosten als ein Aufmerksamkeitsnutzen bedeuten würden, wirst du durch Konditionierung in diese Richtung gedrängt.

Ein Beispiel für ein nicht lohnendes Verhalten wäre es, nur mit einem Bodypainting in die Disko zu gehen. Die Nacktheit wäre sozial sanktioniert und würde wahrscheinlich den Aufmerksamkeitsnutzen zunichte machen. (Bei Mann und Frau aus unterschiedlicher Begründung)

Wenn die Täuschung durch Aufmerksamkeit belohnt wird, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir diese Täuschung wiederholen. Das heißt, dass wir uns immer häufiger sagen, dass Täuschung ein gutes Mittel ist. Die Botschaft an uns selbst wäre: Nicht authentisch zu sein ist gut, denn sie führt zu Aufmerksamkeit und Beachtung.

Eine weitere Botschaft, die wir so an uns selbst richten, könnte sein, dass unser Inneres nicht genug ist, um Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Wir brauchen die Hilfe des Äußeren, um Defizite unseres Inneren auszugleichen.

Ein möglicher Einwand könnte lauten: Ist es nicht so? Man sieht doch erstmal nur das Äußere! Das ist zweifellos richtig. Das heißt aber nicht, dass wir diese Botschaft nicht weiter an uns senden. Vielmehr leben wir in einer Kultur, in welcher das Senden einer solchen Botschaft gefördert wird.

Hier entblößen sich die versteckten Kosten einer oberflächlichen Kultur. Eine solche Kultur fördert es, dass sich seine Mitglieder selbst unterwandern und sich selbst einreden, dass ihr Selbst grundsätzlich nicht genug ist.

Es ist ein Zeichen von Gesundheit, sich einer kranken Gesellschaft nicht zugehörig fühlen zu wollen.

Verlassen wir nun das Beispiel und wenden uns dem allgemeinen Prinzip zu, dass dem zu Grunde liegt.

Indem wir handeln, reden und denken, interagieren wir mit unserem mentalen Modell der Welt.

Wenn du beispielsweise über die Straße gehst und vorher nach links und rechts guckst, bestätigst du das Konzept von Straßensicherheit, die Möglichkeit eines Unfalls und so weiter.

In diesem Modell befindest du dich selbstverständlich auch. Du bist notwendigerweise der Mittelpunkt dieser Welt, weil du für dich das einzige Subjekt sein kannst. Es gibt nur ein Du.

Das bedeutet, dass du dich durch die Modellierung der Welt in ein bestimmtes Verhältnis zur Welt setzt. Im Straßenbeispiel setzt du dich und die Welt unter anderem in ein Bedrohungsverhältnis. Du räumst dem Überfahrenwerden eine relevante Möglichkeit zu. Diesem Bedrohungsverhältnis begegnest du mit der entsprechenden Haltung: Du passt auf.

Was könnten Botschaften an dich selbst sein? Das hängt von vielen Faktoren ab. Die Botschaften können auch unterschiedlich intensiv sein.

Wenn du psychisch nicht weiter auffällig bist, wird die Botschaft relativ einfach sein: Ich passe auf, weil der Straßenverkehr seine gefahren birgt.

Falls du psychisch dagegen instabil bist, könnte die Botschaft sehr viel intensiver sein: Die Welt ist ein Ort ständiger Bedrohung und ich darf auf nichts und niemanden vertrauen.

Beides sind mögliche Botschaften und welche du am Ende an dich selbst sendest, einfach nur beim Überqueren der Straße, hängt davon ab, wie du und deine Welt strukturiert ist.

Das Beachten dieses Zusammenhangs erweitert allerdings das Bewusstsein. Das heißt, dass du deinem Verhältnis zur Welt nicht passiv gegenüberstehst.

Bewusstsein ist die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen. Wenn du erkannt hast, wie du Botschaften sendest, kannst du dich an diesen Stellen anders entscheiden.

Kehren wir zurück zum Beispiel mit der Disko. Du könntest anfangen dein Aussehen weniger stark zu verändern und so weniger zu täuschen.

Du könntest aber auch das ganze Konzept in Frage stellen und feststellen, dass das Innere selbstverständlich defizitär ist, weil das Äußere ebenfalls Teil deiner Selbst ist. Erst durch die Trennung einer Hülle von einem “wahren” aber inneren Selbst, wird es im obigen Beispiel möglich, das Selbst als defizitär zu sehen. Wenn das Selbst auch das Äußere umfasst, ist die Konzentration auf das Innere notwendig defizitär. Damit ist es nicht selbst defizitär, sondern wir machen einen Fehler, wenn wir von einem “wahren”, aber inneren Selbst ausgehen.

Die Botschaft und auch die vernünftigen Handlungen wären andere.

Wenn du nicht durch modische Tricks deinen Körper anders darstellst, aber gleichzeitig der Meinung bist, dass dein Körper seine Rolle für dein Selbst spielen soll, bleibt dir nichts weiter übrig, als deinen Körper selbst zu verändern, wenn du deine Lage verbessern willst. Vielleicht fängst du mit einem Trainingsprogramm an oder änderst deine Ernährungsgewohnheiten.

Was ist eine Botschaft an dich selbst?

Handeln, Reden und Denken sind Botschaften. Botschaften sind Informationen über dich, deine Welt und dein Verhältnis zu ihr. Diese Informationen haben einen anderen Wahrheitsgehalt als beispielsweise mathematische Aussagen.

Während man wenig Zweifel daran haben kann, dass gilt 1+1=2,3 ist es sehr wohl zu bezweifeln, ob die Welt ein gefährlicher Ort ist. Ebenso kann bezweifelt werden, ob die Welt ein sicherer und schöner Ort ist.

Diese Aussagen sind nicht in einem wissenschaftlichen Sinne wahrheitsfähig. Sie sind lediglich subjektiv wahrheitsfähig und wenn sich dieses Subjekt und seine Welt ändern, ändern sich diese Aussagen.

Du kannst selbst entscheiden, welche Botschaften du dir selbst sendest. Dazu musst du nur wachen Geistes durch deine Welt zu gehen.


  1. Das sind die Leute, die den Theaterschauspielern Stichworte zuflüstern, wenn diese mal ins Stocken geraten. 

  2. Ein klassisches Symbol der Filmwelt dafür ist der Mensch, der als überaus makelbehaftet dargestellt wird, trotzdem aber und auch gerade wegen seiner Makel geliebt wird. Ein Beispiel dafür ist der Charakter Albert Brennaman im Film Hitch 

  3. Wenn wir andere Axiome zu Grunde legen, gilt das natürlich nicht, aber wir wollen das Beispiel nicht unnötig kaputt machen, nicht wahr? 

2 Responses to “Alles ist eine Botschaft an dich selbst”

  1. Erik

    Das stimmt. Die Umwelt ist sowieso nur eine Simulation von unserem Gehirn, die wir uns also selbst machen. Vielleicht gibt es sie gar nicht.

    Es gibt Bulimie-Erkrankte, die sich im Spiegel als zu dick warhnehmen obwohl sie krankhaft untergewichtig sind.

    Trotzdem bin ich zu der Meinung gelangt, dass es wichtig ist, auf sein Äußeres zu achten (nicht nur durch Training und Ernährung). Die Grenze zur Täuschung ist fließend. Ist gute Kleidung bereits Täuschung weil es ja nicht mehr zu deinem selbst gehört? Dezent zu schminken? Zum Friseur zu gehen anstatt sich alle 2 Monate alles einfach abzurasieren oder ewig wachsen zu lassen?

    Selbstvervollkommnung umfasst ja auch seine Lebensrollen zu vervollkommen. Und in jedem umweltsetting verhalte ich mich anders (“the world is a stage”), gebe unterschiedliche Anteile meines Persönlichkeitsspektrum preis. Täusche ich dann? Weil ich nicht vollkommen ich selbst bin?

    Wenn aber das Motiv der “Täuschung” die negativen botschaften die man sich selbst sendet sind, dann ist das problematisch. Genauso facebook wo immer nur das “Foto” aber nie der “Film” gezeigt wird. Das ist definitiv sehr sehr heikel, da in Gruppen immer ein stummer Zwang zur Nachahmung, zum Gleichziehen besteht.

    Aber per se würde “Täuschung” nicht als negativ sehen.

    Antworten
    • donnerundpflicht

      Moin Erik,

      du stellst jetzt erstmal eine Reihe von Fragen, die deinen Standpunkt verdeutlichen sollen, ihn aber nur andeuten.

      Der Begriff der Täuschung, den ich hier verwende, hat klare Grenzen. Wenn die Intention einer Handlung die ist, dass etwas dargestellt wird, was nicht so angenommen wird, liegt Täuschung vor.

      Ich verhalte mich z.B. nicht in jedem Umweltsetting anders, weil ich die Differenz von personalem Ich und sozialer Rolle für einen Missstand halte.

      Aber ich habe in diesem Beitrag Täuschung auch nicht als per se als negativ gesehen. Täuschung ist lediglich nicht adäquat, wenn es darum geht, wegen seines “wahren” Selbst geliebt zu werden.

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