Bewusstsein oder Unbewusstsein durch Entscheidungen

Es gibt zwei Typen von Entscheidungen.

  1. Entscheidungen des ersten Typs erhöhen dein Bewusstsein.
  2. Entscheidungen des zweiten Typs verringern dein Bewusstsein.

Zunächst gilt es natürlich zu erklären, was ich überhaupt mit Bewusstsein meine:

Was ist Bewusstsein?

Das ist nicht nur philosophisch eine heikle und schwierige Frage. Weil Bewusstsein ein geistiges Phänomen ist und keines, dass sich auf physischer Ebene realisiert, kann es keine Naturwissenschaftliche Erklärung oder Definition geben. Bewusstsein ist allerdings auch kein soziales Phänomen.1

Ich habe nicht den Anspruch dieses schwierige Kapitel in irgendeiner Form zum Abschluss zu bringen. Ich denke nicht, dass ich das kann. Ich glaube nicht einmal an die Möglichkeit. Dennoch brauchen eine Definition – wenigstens als Arbeitshypothese.

Daher will ich Bewusstsein an das Konzept der Verantwortung binden. Bewusstsein ist die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen. Für diese Entscheidungen ist man dann verantwortlich.

Wir haben es hier also mit einem durch Entscheidungen positiv rückgekoppeltes Bewusstsein zu tun. Es kann sich selbst erweitern, in dem es sich selbst in eine Position rückt, in welcher seine Fähigkeiten Entscheidungen zu treffen erhöht sind.

Solche Entscheidungen kann man so ähnlich verstehen, als würde man das Lernen lernen. Je mehr man lernt, desto mehr kann man lernen.

Use it or lose it. So sagen es die Angelsachsen. Wer also immer weniger Entscheidungen trifft, der verlernt es Entscheidungen zu treffen.

Bewusst-sein ist nicht unbedingt leicht oder angenehm. Eigentlich ist es überhaupt nicht leicht und angenehm. Bewusst sein heißt Entscheidungen zu treffen. Das heißt, dass man geistige Energie investieren muss. Diese ist begrenzt und deswegen können wir erschöpfen.

Bewusst-sein bedeutet auch sich mit unangenehmen Dingen zu beschäftigen.

Befinden wir uns in einer für uns schädlichen Beziehung zu einem anderen Menschen, können wir diese Schädlichkeit ausblenden.

Beispiel:

Ein Mann, der versucht einer bestimmten Vorstellung von gutem Leben zu entsprechen, könnte beispielsweise Verdrängen, dass seine Partnerin sich beständig selbst schädigt. Anstatt sich mit ihr darüber auseinanderzusetzen, sie zu ermahnen, ihr zu helfen oder sich von ihr zu trennen, nimmt er ihre Selbstschädigung hin und blendet sie aus.

Was sind die Kosten davon mit einem Menschen eine so enge Bindung zu haben, der sich selbst aber schädigt?

  • Normalerweise produziert eine solche Person eine ungewöhnlich große Menge an negativen Emotionen und Situationen.
  • Wenn wir über lange Zeit mit Verhaltensweisen anderer Menschen konfrontiert werden, übernehmen wir diese wenigstens teilweise – in diesem Fall selbstschädigendes Verhalten.
  • Wenn man selbstschädigendes Verhalten ignoriert, stumpft man sich dagegen ab. Man verliert an Sensibilität. Man gewöhnt sich an Nichtwahrnehmung.

Diese Liste ist nicht auf Vollständigkeit angelegt. An dieser Stelle ist es für uns wichtiger, dass wir uns auf die Wirkung auf das Bewusstsein des Mannes konzentrieren.

Er kann dieses Verhalten nur über eine gewisse Dauer aktiv ignorieren. Irgendwann wird er dessen müde und muss auf passive Ignoranz wechseln.

  • Er kann anfangen dieses Verhalten zu billigen. Entweder weil er dieses Verhalten selbst übernimmt oder weil er denkt, dass es ihm sogar zuträglich ist.
  • Er kann dieses Verhalten umwerten z.B. indem er annimmt, dass dieses Verhalten funktional für seine Partnerin ist.
  • Er kann das Verhalten verdrängen. Damit hat er es aus seinem Bewusstsein gelöst und kann nicht mehr darauf zugreifen.

Das ist selbstverständlich kein linearer oder gar konstanter Prozess. Vielleicht wacht er zwischendurch auf und ist von sich selbst überrascht oder ermahnt seine Partnerin. Periodisch erwacht er so zu seinem alten Bewusstsein. Das sind seine Gelegenheiten Entscheidungen neu zu treffen. Verpasst er die Gelegenheit wird er in den Schlaf zurücksinken.

Ein anderes Beispiel ist unser Aufbau von Gewohnheiten und Ritualen. Gewohnheiten und Rituale sind Delegationen von Verhalten an das Unbewusstsein, damit wir unser Bewusstsein entlasten können.

Wir können beim Autofahren, beispielsweise, nicht permanent bewusst kuppeln und schalten. Angesichts der Komplexität des Straßenverkehrs würden wir kaum mehr als den Weg zur Arbeit und zurück schaffen, ohne auszubrennen.

Genauso ist es völlig unnötig, dass wir uns beständig und bewusst dafür entscheiden uns morgens die Zähne zu putzen. Anstatt unsere geistige Energie in diese Handlung zu investieren, indem wir jeden Morgen eine Entscheidung treffen, tun wir dies aus Gewohnheit.

Ein Problem für unsere Vervollkommnung wird es, wenn wir die neu gewonnene Kapazität nicht nutzen. Wenn wir unser Leben durch eine Reihe von Gewohnheiten und Ritualen so strukturieren, dass wir fast keine Entscheidung mehr treffen müssen, führen wir unser Leben natürlich nicht mehr bewusst.

Wenn man ein bewusstes Leben führen will, dienen Gewohnheiten und Rituale nicht zur geistigen Entlastung, sondern vielmehr zu Umlenkung unserer geistiger Energie.

An dieser Stelle wird klar, dass ein bewusstes Leben anstrengend ist. Verdrängung und Gewohnheiten können die Gefahr bergen, dass wir dieser Anstrengung ausweichen und uns damit das bewusste Leben vermauern.

Hier liegt übrigens ein besonderer Wert von Meditation. Man könnte Meditation als den Versuch bezeichnen das Bewusstsein in völliger Reinform präsent werden zu lassen. Wir denken nicht, wir fühlen nicht und wir handeln nicht. Wir lassen den Atem einfach geschehen und gehen in reiner Beobachtung auf. Sogar uns selbst beobachten wir nur und sind es nicht. Wir sind an dieser Stelle bewusst und nichts weiter.


  1. Auch dies ist zunächst eine Setzung. Es ist nicht selbstverständlich, dass Bewusstsein kein soziales Phänomen ist. Man könnte es auch als ein Regelungsmechanismus verstehen. Es ist eine Unterstellung, damit soziale Institutionen, wie Moral oder Verantwortung funktionieren. Ohne Bewusstsein keine Verantwortung. Verbrechen kann man schließlich nur als solche Anerkennen, wenn man dem Verbrecher Bewusstsein unterstellt. Ohne Bewusstsein, kann es keine Verantwortung geben. Ohne Verantwortung kann man Menschen nicht als Verbrecher bestrafen. 

One Response to “Bewusstsein oder Unbewusstsein durch Entscheidungen”

  1. ctietze

    “Bewusstsein ist die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen” und “Bewusstsein bedeuted Entscheidungen zu treffen” sind zwei verschiedenen Dinge. Wie streng soll man hier sprachlich sein?

    Die letzte Form nämlich würde bedeuten, dass Entscheidungsermüdung Bewusstseinsermüdung ist.

    In der ersten Form würde Entscheidungsermüdung dazu führen, dass Bewusstsein abnimmt, weil die Fähigkeit (Kapazität) zu Entscheidungen sich verringert.

    Wie hast du das für dich modelliert?

    Antworten

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