Bin ich Souverän, wenn ich konsumiere?

Ein T-Shirt für 4,95 EUR – wie kann das sein? Und schon rollt die Debatte um die Herstellungsbedingungen für Bekleidung. Um das ganze abzukürzen: Ja, Menschen werden unterdrückt, versklavt und ausgebeutet für die billige Kleidung. Das steht außer Frage.

Das übliche Vorgehen ist: sich als Konsument souverän zu verhalten. Bin ich denn nicht mitverantwortlich für den Bedarf, wenn ich mir ein billiges T-Shirt kaufe? Das lässt sich kaum von der Hand weisen. Jede Stimme zählt.

Was macht man, wenn man sich für seine Konsumentensouveränität entscheidet? Man entscheidet sich für den Markt. Notwendiger Weise. Jedes Mal, wenn ich nicht zu einem der Billighersteller für Kleidung gehe, unterwerfe ich mich den Regeln des Marktes. Jedes Mal, wenn ich durch Kauf von Bioprodukten die Situation der Tiere verbessern will, untwerfe ich ich diesen Regeln.

Was sind diese Marktregeln, denen ich mich unterwerfe? Auf dem Markt bleibt bestehen, wer Profit macht. Das Überleben, die Existenz am Markt wird durch Gewinne bestimmt. Alles andere ist sekundär. Entsprechend sind die Regelungen der Marktakteure. Wenn eine der großen Marken Kampanien zur Demonstration ihrer Corporate Social Responsibility starten lautet deren Rechnung:

“Wir sind verantwortlich, aber notwendige Voraussetzung dafür ist der Profit. Ohne den können wir nix machen.”

Kann ich als souveräner Konsument handeln? Die Antwort lautet: Was redest du da?

Der Begriff “souveräner Konsument” ist in sich widersprüchlich. Als Konsument untwerfe ich mich den Marktregeln, die gänzlich amoralisch über Existenz von Marktakteuren bestimmen. Ich unterwerfe mich der Freiwilligkeit von kapitalistisch konditionierten Unternehmen, sich moralisch zu verhalten aber nur unter der Bedingung, dass sie weiterhin Profit machen.

Man ist als Konsument nicht souverän. Das ist schon mal sicher. Wer sich versucht als Konsument souverän zu verhalten ist schlussendlich moralisch gestört.

Die Verantwortungszuschreibung muss ohne den Konsumentenbegriff auskommen. Die Antwort um die Frage “Bin ich souverän?” verläuft nicht über den Konsum, denn da ist keine Souveränität zu finden.

14 Responses to “Bin ich Souverän, wenn ich konsumiere?”

  1. A
    1. “mitverantwortlich für den Bedarf, wenn ich mir ein billiges T-Shirt kaufe” Aus dem Kauf eines solchen T-Shirts ergibt sich doch die Frage, warum Menschen möglichst wenig Geld für ein T-Shirt ausgeben wollen. IdR weil sie nur begrenzt Geld zur Verfügung haben. Kleidung ist jedoch erforderlich, um auch an weniger warmen Tagen zu überleben. Ist es nicht (moralisch) gestört, dass dieses Grundbedürfnis nur durch Geldbesitz (den die meisten nur durch die Anbietung und, wenn sie Glück haben, durch Ausbeutung ihrer Arbeitskraft erlangen können) befriedigt werden kann? Womit nicht gemeint ist, dass die Menschen Spielbälle der ökonomischen Ordnung wären; dies würde die menschliche Fähigkeit, sich jederzeit neu zu entscheiden, verkennen. Solltest du dies ausgedrückt haben wollen, stimme ich dir zu.

    2. “Jedes Mal, wenn ich nicht zu einem der Billighersteller für Kleidung gehe, unterwerfe ich mich den Regeln des Marktes.” Diesen Regeln ist man auch unterworfen, wenn man bei einem Billighersteller kauft. Dieser kann einen niedrigeren Preis nur anbieten, wenn er die Arbeitskraft anderer ausbeutet. Nichts anderes tut derjenige, der Bioprodukte anbietet. Der wäre ja auch schön blöd, wenn er das nicht täte, denn dann würde er beim Verkauf keinen Profit mehr erzielen (soviel auch zu CSR).

    3. Ist es nicht ein Widerspruch, einerseits die Marktregeln als amoralisch einzustufen und gleichzeitig den Unternehmen zuzugestehen, dass sie sich freiwillig moralisch verhalten können? Ich denke, sie würden keinen Profit machen, würden sie sich moralisch verhalten. Wie kommst du zu dem Schluss, dass die Marktregeln amoralisch sind?

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    • donnerundpflicht
      1. Natürlich kann man sich weiterführend sich die Frage des wirtschaftlich-sozialen Kontextes stellen. Dieser Missstand kann aber nicht moralisch gestört sein. Das können nur moralische Akteure (die notwendiger Weise auch kognitiv sein müssen) und keine Sachverhalte. Inhaltlich gebe ich dir absolut Recht. Die aktuelle Wirtschaftsform nutzt Geld als Mittel der künstlichen Verknappung von Gütern, degradiert Menschen zu Arbeitskraft (=Gut) und verhindert eine gerechte Verteilung von Gütern.

      2. Ich versuche hier den Unterschied zwischen passiv den Regeln des Marktes zu genügen und sich aktiv zu unterwerfen. Wenn ich einfach kopflos irgendwas kaufe, was mir in den Sinn kommt, entspreche ich zwar auch den Martkregeln, das aber nur zufällig. Wenn ich bewusst ein Produkt kaufe um eine unterstellte Verantwortung als Konsument wahrzunehmen, dann arbeite ich aktiv mit diesen Regeln. Dass man dabei aber die Hegemonie einer nur am Profit orientierten Maschinerie bestätigt und festigt, ist den Menschen ja nicht klar, wenn sie dir mit einer Mischung aus Stolz und Vorwurf erzählen, dass sie nur Bio kaufen, weil sie solche Tierfreunde sind.

      3. Diesen Widerspruch kann man auflösen, in dem man zwischen amoralisch und unmoralisch unterscheidet. Amoralisch zu seinist die Eigenschaft nichts mit Moral zu tun zu haben. Ein Tisch ist amoralisch, ein Markt ist amoralisch usw.

      Unmoralisch zu sein ist dagegen eine Eigenschaft, die eine Überkategorie zu moralisch gestört und böse zu sein. Unternehmen sind Akteure. Deswegen können sie auch moralisch handeln. Unmoralisch sind sie, weil sie Profit über Würde, Glück, Freiheit usw. stellen. Das macht sie zu bösen Akteuren.

      Es ist kein wirklicher Schluss, ich argumentiere nicht dafür, dass der Markt amoralisch ist. Ich habe nur eine Definition von amoralisch sein auf eine Entität angewandt.

    • A
      1. Du hast recht, Sachverhalte an sich können nicht moralisch gestört sein. Ich habe mich unpräzise ausgedrückt. Dieser Sachverhalt (Missstand) ist von Menschen geschaffen und könnte jederzeit auch von ihnen wieder abgeschafft werden. Indem sie sich jeden Tag wieder dafür entscheiden, das Spiel mitzuspielen, bejahen sie die bestehenden Strukturen, die ihnen und allen anderen tatsächlich nur schaden. Sind sie folglich nicht alle moralisch gestört?
      2. Einverstanden. Letztlich machen aber alle die Marktregeln mit und allen muss man erklären, wie die Lage wirklich aussieht. Inwiefern ist deine Unterscheidung nützlich? Oder willst du nur mal Dampf ablassen ob der Borniertheit der Bürger, die denken, ein menschenfreundlicher Kapitalismus wäre möglich?
      3. siehe 1.
    • donnerundpflicht
      1. Moralisch gestört sind die Menschen immer dann, wenn sie diese Notwendigkeiten nicht einsehen. Ein BWL-Student, der mir erzählen will, dass Wachstum doch sozial sei, der ist moralisch gestört. Hier greift der Unterschied zwischen böse und gestört. Jemand der gestört ist, dem ist das ganze nicht klar oder der will keine Klarheit. Ich denke, Leuten wie dem ehemaligen KIK-Chef und anderen ist glasklar, welche Kosten der Kapitalismus für Glück und Freiheit der Menschen bedeutet. Diese Leute sind dann moralisch gestört böse. Ich bin mir noch nicht sicher, wohin die Überlegung geht, weil die meisten Leute sich ja überhaupt keine Gedanken um sowas machen. Entweder läuft es darauf hinaus, dass man selbst verpflichtet ist sich zu informieren und abzuwägen. Dann sind die Leute moralisch gestört. Wenn ich es nicht schaffe ihnen die Verantwortung für Unwissen zuzuweisen, dann eben nicht.
      2. Diese Unterscheidung ist dann wichtig, wenn es um moralische Störung geht. Wenn ich diese Notwendigkeiten missachte, also bewusst nach dem Marktregeln spiele um mich in bestimmter Weise sozial oder als Souverän zu verhalten, bin ich moralisch gestört. Wenn ich zufällig mitmache (machen wir alle), dann kann es erstmal als vorerst notwendiges Übel abgelegt werden. Ich komme ja nicht daran vorbei, weil ich in diesem Wirtschaft hineingeboren bin. Der Komplettausstieg ist eine Möglichkeit. Eine andere wäre die Veränderung des Ganzen.

      Darauf läuft es dann auch hinaus. Ob ich eine Antwort auf die Systemfrage finde oder überhaupt suche, steht noch aus. Produkt dieses Projektes soll eine Anleitung zum guten Leben sein und nicht zur guten Gesellschaft. Ich richte mich damit an eine Menge sondern an eine Menge von Einzelpersonen. Das heißt, dass höchstens das direkte Umfeld mit Thema sein wird. Das wird sich zwar groß mit der Systemfrage überschneiden (ich glaube, dass man das System nicht als Ganzes kippen kann, sondern tumorartig unterwandern müsste), aber kein zentraler Inhalt werden.

      PS: Bevor ich es vergesse: Benutz’ bitte für Zitate das Blockquotetag oder einfach noch eine Zeile Abstand zwischen Zitat und Text. Das ist deutlich leserlicher.

  2. A
    1. Entweder verstehe ich falsch oder du kommst mit den Definitionen durcheinander. Ich habe es so verstanden: Überkategorie ist “unmoralisch”. Darunter finden sich “moralisch gestört”/”gestört” (synonym?) und “böse”. “Moralisch gestört”/”gestört” liegt immer dann vor, wenn jemand einen Sachverhalt nicht durchschaut oder nicht durchschauen will und deshalb unwissend durch die Gegend läuft (BWL-Student, Käufer von Bioprodukten). “Böse” liegt vor, wenn jemand den Sachverhalt durchschaut, quasi absichtlich entgegen der moralischen Notwendigkeit handelt. Dann hättest du allerdings den KIK-manager etc. als “böse” und nicht als “moralisch gestört” qualifizieren müssen. Ist das richtig? Ich denke schon, dass sich die Menschen Gedanken machen und sich Meinungen bilden, siehe zB diejenigen, die sich als souveräne Konsumenten betrachten. Diese sind ja noch stolz drauf, dass sie sich informieren und abwägen. Sie kommen nur zu falschen Ergebnissen, in diesem Fall beeinflusst durch ihr Geltungsbedürfnis (Ich bin wichtig und kann etwas bewegen). Ich bin gespannt, ob du ihnen die Verantwortung für ihr Unwissen zuweisen wirst oder nicht und auf die dazugehörige Begründung.

    2. Müssten nicht auch die, die mitmachen, weil sie erstmal nicht daran vorbeikommen, als moralisch gestört klassifiziert werden weil und wenn auch sie den Sachverhalt nicht durchschauen? Als nicht moralisch gestört kann doch eigentlich nur der gelten, der sich zwar über seine Teilhabe am Kapitalismus und der Ausbeutung im Klaren ist und dies nicht für gut befindet (denn wie du richtigerweise sagst, kommt man erstmal nicht drum herum).

    Ich denke auch nicht, dass du um die Systemfrage herumkommst wenn du eine Anleitung zum guten Leben geben willst aber das weißt du ja auch selbst. Die tumorartige Unterwanderung finde ich richtig.

    Ich werde beim nächsten Zitat daran denken.

    Antworten
    • donnerundpflicht
      1. Nein. Böse sind Akteure, wenn sie bestimmte Werte missachten, also Unfreiheit, Unvollkommenheit, Schwäche und/oder Glück befördern. Bösen, moralisch nicht gestörten Menschen ist klar, was sie tun. Sie kennen sich aus und entscheiden sich böse Handlungen. Mit der Bezeichnung hast du Recht. Da hätte “böse” und nicht “moralisch gestört” stehen müssen. Ist korrigiert (danke).

      Einige machen sich schon Gedanken, aber die meisten Menschen, mit denen ich rede, haben sich tatsächlich keine Gedanken gemacht. Viele leben auch nicht bewusst genug um sich ihrer Lage überhaupt gewahr zu sein. Soweit zumindest mein persönlicher Eindruck.

      Das mit der Verantwortung ist mir selber noch nicht klar. Ich bin mir auch nicht klar, ob es auf die Seite meiner Wertung oder auf die Notwendigkeitenseite kommt. Also zum Axiom oder zum Algoritmus gehört.

      “Gestört” und “moralisch gestört” sind keine Synonyme. Das wird auch ein Fummelei das immer auseinander zu halten. Psychische Störung gibt es ja auch und ist ein sehr zentrales Thema für dieses Projekt.

      1. Moralische Störung ist wie ein verbogener Kompass. Er zeigt die Richtung nicht richtig an. Wenn der Kompass aber richtig funktioniert, kannst du immer noch in alle Richtungen gehen (neutral, böse, gut). Was gut ist, verbleibt als persönliche Wertung. Beispiel:

      Person A sagt, wirtschaftlicher Liberalismus ist gut, weil er persönliche Freiheit befördert. Person B sagt, wirtschaftlicher Liberalismus ist schlecht, weil er Ungerechtigkeit befördert.

      Beide argumentieren mit verschiedenen Werten. Einer mit Freiheit und der andere mit Ungerechtigkeit. Niemand ist aber gerechtfertigt dem einen Wert ein Vorrecht einzuräumen. Man kommt nicht um eine axiomatische Setzung herum. Da liegen auch alle Probleme mit dem üblichen moralischen Dilemmata verborgen. Um diese zu entscheiden, braucht man Axiome. Die kann man aber einfach bestreiten und hat entweder die Position rechtfertigungsbedürftig gemacht oder treibt den Gegenüber in einen infiniten Regress rein.

      Das ist wichtiger Ausgangspunkt dieses Projektes. Die Anleitung stellt zum einen den Kompass richtig ein, zum anderen zeigt er die Möglichkeiten sich zu entscheiden auf. Aber ich versuche hier den Fehler zu vermeiden über Wahrheit und Falschheit von Axiomen moralischer Bewertungen zu urteilen.

    • A

      1.Wenn du sagst, dass sich die meisten keine Gedanken machen, meinst du das in Bezug auf Selbstreflexion oder auf das Finden von Erklärungen von praktischen Problemen? Hinsichtlich der Selbstreflexion würde ich sofort zustimmen; die wenigsten hinterfragen ehrlich und kritisch ihre Wünsche, Gedanken und Handlungen. Das so keine Weiterentwicklung und -verbesserung stattfinden kann, liegt auf der Hand. Wenn es um die Erklärung von praktischen Problemen geht, sind die meisten ambitionierter. Sie haben sich fast alle ihre Theorien zurechtgelegt, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Leider sind alle Theorien der bürgerlichen Ideologie entnommen und dienen damit dem Erhalt des ökonomischen status quo.

      Die Frage nach der Verantwortung für Unwissen ist wirklich kniffelig. Ich tendiere stark dazu, einen freien Willen bei jedem Menschen anzunehmen, denn sonst gäbe es doch weder moralisches noch unmoralisches Handeln. Geht man davon aus, muss man aus der Tatsache, dass sie unwissend sind, den Schluss ziehen, dass sie nichts anderes/zusätzliches wissen wollen. Sie sind für ihre Unwissenheit also selbst verantwortlich. Verstehe ich richtig, dass du dich fragst, ob die Verantwortung für Unwissen zur Basis oder zum Lösungsweg des Problems gehört? Nimmt man die Verantwortung für Unwissen als Axiom, kann man nur von ihrem Vorliegen oder Nicht-Vorliegen ausgehen. Eine Begründung, die nicht empirisch ist, ist dann doch nicht mehr möglich, oder?

      1. Ich habe den Eintrag über smartphones gelesen. Nimmst du da nicht auch eine Wertung vor, dahingehend, dass das Axiom Intimität einen höheren Stellenwert als das Axiom ständige Verfügbarkeit hat? Ich bin umso gespannter, wie du unabhängig von deinen Grundsätzen moralischer Bewertung den Kompass richtig einzustellen planst.
  3. donnerundpflicht
    1. Das ist eine Frage von Empirie. Schlussendlich ist es aber auch egal, wieviele Menschen sich Gedanken dazu machen. Die Argumente bleiben bestehen, sind aber dann nur für mehr oder weniger Leute relevant.

    Der Schluss von Existenz von Willensfreiheit auf Unwille sich zu informieren ist nicht gültig. Du hast nur zwei Sachverhalte zusammengebracht, aber nicht den notwendigen Zusammenhang gezeigt. Nicht alles, was vorliegt, ist Produkt des Willens. Nur weil ich einen freien Willen habe, bin ich nicht unwillig mich zu informieren, wenn ich nicht informiert bin. Erstens muss man notwendiger Weise aus Informationen auswählen, so dass man einiges nicht wissen kann. Zweitens sind diese Entscheidungen nicht immer rational möglich, weil es man die Entscheidungskriterien überblicken kann. Fehler sind möglich.

    Verantwortung kann kein Axiom in einem Aussagensystem sein. Der Rest des Argumentes ist tautologisch und schließt daher empirische Überprüfung kategorisch aus. Alles liegt entweder vor oder nicht, solange der Satz des ausgeschlossenen Dritte gilt.

    1. Begriffe haben, wie oben gesagt, nicht die Funktion von Axiomen. Ich persönlich bin der Meinung, dass man seine Intimität schützen sollte, weil Intimität eine wichtige Funktion in vielerlei Bereichen des Lebens hat. Nicht nur die psychische Gesundheit ist davon abhängig. Die Hauptaussage ist: Wenn ihr Intimität haben wollt, dann wehrt euch! Die Kondition halte ich für evidenter Maßen bejaht. Deswegen habe ich sie für diesen Blogpost weggelassen. Meine persönliche Meinung deckt sich damit. Mir ist Intimität wichtig und lieb, weswegen ich mich gegen die Smartphoneritis wehre.

    Ich habe selbst natürlich Wertungen und sie werden auch Teil dieses Projektes sein. Einige grundlegenden Dinge werde ich dabei natürlich festlegen, aber gleichzeitig immer offen darüber sein, dass man sich auch anders entscheiden kann. Der Kompass zeigt einem dann nur (hoffentlich) korrekt die Entscheidungsmöglichkeiten an.

    Antworten
  4. A
    1. Dass ich aus Informationen auswählen muss und die Entscheidungskriterien nicht überblicken kann, spricht nicht gegen die eigene Verantwortung für Unwissen. Ich informiere mich doch über Dinge, die mich interessieren. Wenn mich etwas nicht interessiert, entscheide ich mich, darüber keine Informationen haben zu wollen und bin folglich unwissend. Oder etwas interessiert mich nicht aber ich informiere mich, aus irgendwelchen Gründen, trotzdem. Immer ist es doch aber eine willentliche Entscheidung. Wenn mich etwas richtig interessiert, dann informiere ich mich so lange und so gründlich, bis ich irgendwann alle Argumente kenne und dann auch die richtigen Entscheidungskriterien zugrunde legen kann. Natürlich können dabei auch Fehler passieren. Eine Ausnahme von der Verantwortung würde ich nur zulassen, wenn ich noch nicht mal von der Existenz einer Sache weiß.

    Warum kann das kein Axiom sein?

    1. Inhaltlich gebe ich dir völlig recht. Aber du nimmst eine Wertung vor, die viele andere offensichtlich nicht teilen. Ihnen scheint die ständige Verfügbarkeit wichtiger zu sein als Intimität. Sie wollen also ständig verfügbar sein auf Kosten der Intimität.
    Antworten
    • donnerundpflicht
      1. Sagen wir, du hast in deiner Lebenszeit 100 Zeiteinheiten zur Verfügung. Informationen hast du soviel zur Verfügung, dass du damit 10000 Zeiteinheiten verbringen könntest. Das heißt, dass du irgendwas weglassen musst. Dafür hast du aber keine Entscheidungskriterien oder zu viele. Du bist ganz interessiert an Ungerechtigkeit in Bangladesh und investierst viel Zeit dahinein. Dass du dich nicht mit irgendwelchen Wasserlochkonflikten in Afrika auskennst, kann ich dir dabei beim besten Willen nicht zum Vorwurf machen. Vollständigkeit und Richtigkeit (der Entscheidungskriterien) sind Konstrukte, die nicht realisierbar sind und angesichts der heutigen Verfügbarkeit von Informationen völlig absurde Utopien.

      Verantwortung ist kein Begriff und keine Aussage. Ein Begriff kann kein Element eines Aussagensystems sein. Daraus folgt, dass Verantwortung nicht Element eines Aussagensystems sein kann. Ein Axiom ist eine Element eines Systems. Also kann Verantwortung kein Axiom sein.

      1. Das Gegenteil ist der Fall. Die meisten stimmen mir zu, dass Intimität wichtiger ist als Verfügbarkeit, insbesondere in Beziehungen und Freundschaften. Ihnen ist erstens nicht klar, was Smartphones eigentlich machen. Zweitens leugnen sie die Stärke, mit welcher Smartphones Intimität zerstörten oder verhindern. Meiner Meinung nach, weil Smartphones eine bestimmte Form von Abhängigkeit erzeugen, aber das ist anderes Thema.
  5. A
    1. Natürlich hat man nicht unbegrenzt Zeit, sich alles Wissen der Welt anzueignen. Es ist aber doch ein Unterschied, ob man aus Zeitmangel oder aus Desinteresse eine Information nicht hat. Etwas überspitzt: Willst du ernsthaft jedem deiner Bekannten, der sich keine Gedanken macht, sagen, dass es nicht seine Schuld ist, wenn er keine Ahnung hat, weil er nicht die Zeit hat, sich alle vorhandenen Informationen anzueignen? Es erscheint aber doch merkwürdig, aus der Verantwortung (im Sinne von Etwas-steuernd-in-den-Händen-haltend) einen Vorwurf zu machen. Ich denke, dass es wenig konstruktiv ist, dem Gesprächspartner ob seiner Unwissenheit einen Vorwurf zu machen. Der Grund, warum jemand uniformiert ist (Zeitmangel oder Desinteresse) spielt allerdings eine Rolle bei der Frage, wie du dich im Gespräch verhältst. Bei Zeitmangel kann ja durchaus ein Interesse an der Information vorliegen. Bei Desinteresse kannst du nur versuchen, den anderen für die Thematik zu begeistern oder das Gespräch ganz lassen. Du hast recht, was die Entscheidungskriterien betrifft.

    Ich dachte, es ginge um die Verantwortung für Unwissen (vorliegend oder nicht vorliegend). Ist das keine Aussage? Allerdings kenne ich deine Definition von Aussagen nicht.

    1. Mag sein, dass die Leute dir zustimmen. Sie verhalten sich jedoch konträr. Ich würde dann die Aufrichtigkeit ihrer Zustimmung in Frage stellen. Smartphones selbst sind Gegenstände. Sie zerstören Intimität nicht durch ihre Existenz, sondern dies geschieht erst dann, wenn der Nutzer sie auf bestimmte Weise gebraucht.
    Antworten
    • donnerundpflicht
      1. Ich verstehe dein Bedürfnis einen Vorwurf äußern zu können. Geht mir genauso. Ich habe mich bis jetzt noch auf nichts geeinigt. Daher reagiere ich auf deine Vorschläge “Kann das nicht auch so sein?” mit “Ja, aber auch anders.”

      Verantwortung ist notwendige Bedingung dafür, dass man jemandem etwas zum Vorwurf machen kann. Wenn jemand für etwas nichts kann, was soll ihm man da sagen? Deswegen verstehe ich deinen Einwand mit der Verantwortung nicht.

      Eine Aussage stellt quasi einen Sachverhalt fest. Der Ausdruck dafür ist Proposition (Wiki). Verantwortung ist ein Begriff. Er ist quasi ein Konzept, ein Modell von etwas oder Ähnliches.

      1. Ich denke schon, dass sie das aufrichtig meinen. Sie verhalten sich ja nicht bewusst konträr. Sie sehen es bloß nicht ein oder sind zu undiszipliniert.
  6. A
    1. Ja, ich habe mir vorhin noch mal ins Gedaechtnis gerufen, dass du, ebenso wie ich, (noch) keine Antwort gefunden hast. Deswegen bin ich so erpicht darauf, mit dir darueber zu diskutieren. Eigentlich war das kein Einwand. Ich habe ueberlegt, welche Relevanz die Frage nach der Verantwortung hat, wenn ich mit einem Menschen umgehe, der uninformiert ist und von dem ich will, dass er die Information erhaelt.

    Ich werde mich in die formale Logik, insbesondere in die Axiomatik und die Regeln des logischen Schlussfolgerns einlesen. Vielleicht faellt die Diskussion dann in Zukunft auf diesem Gebiet leichter.

    1. Du hast moeglicherweise recht. Ich habe ja wieder Willentlichkeit unter Kenntnis aller Umstaende unterstellt.
    Antworten
    • donnerundpflicht
      1. Die Diskussion mit dir hat mich aber hier ein ganzes Stück weitergebracht. Danke dafür. Die Relevanz ist für mich wenigstens klar: Das Resultat dieses Buches, soll eine Anleitung zu einem guten Leben sein. Stellt man fest, dass man verantwortlich für den Grad der Informiertheit ist, gehört das in den Lebensplan von der Realisierung des guten Lebens. Grundhaltung des Projektes ist es vor allem Notwendigkeiten aufzudecken und ihre Beziehung untereinander zu erforschen und zugänglich zu machen (=Didaktik).

      Das wird nicht besonders nötig sein. Ich denke, dass es mit den aristotelischen Syllogismen und ein bisschen Übung mit solchen Themen getan ist (ich bin selber noch in der Mache, also ist das eine Einschätzung von Angesicht zu Angesicht, keine Belehrung).

      1. Nur möglicherweise. Ich bin mir noch nicht sicher. Genialer Weise habe ich das Beispiel vergessen (und vergessen aufzuschreiben), dass das ganze aushebelt und als einen Zirkelschluss abbildet.

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