Frankls Buch über die Schoah

Frankl schreibt zur Einleitung seines Buchs “…Trotzdem Ja zum Leben sagen”, dass dieses Buch ein Erlebnisbericht ist.

Nicht den großen Greueln gilt daher diese Darstellung — jenen Greueln, die ohnehin schon vielfach geschildert wurden (ohne deshalb allenthalben geglaubt worden zu sein) –, sondern den vielen kleinen Qualen oder, mit anderen Worten, der Frage: Wie hat sich im Konzentrationslager der Alltag in der Seele des durchschnittlichen Häftlings gespiegelt?1

Doch der Alltag des KZ kann nur als Kasuistik des Erlebens verstanden werden. Verstehen heißt in diesem Fall nicht: Die realen Ereignisse in einer objektiven Geschichte der Konzentrationslager und Schoah systematisieren. Das Phänomen Konzentrationslager ist erst dann verstehbar, wenn als ein Erleben angenommen wird. Erst das Erleben macht die Geschichte der Schoah relevant.

Es ist nicht nur unzureichend, schlechte Laune zu bekommen, weil wir von schlimmen Dingen lesen. Vielmehr noch: Es ist Scheinmoralität und damit verwerflich. Das Buch ist ein Schatz, die niedergeschriebenen Erfahrungen von unbegreiflichem Wert und wir in der Pflicht, diesen Schatz zu bergen. Wollen wir Verantwortung für die Taten der Menschen übernehmen, besteht die dafür benötigte Pflicht darin, durch die Beschäftigung und den zu Scheitern verurteilten Versuch des Nachempfindens ein besserer Mensch zu werden. Nur so kann man einem solchen Buch gerecht werden.


  1. Viktor (2018 (Ersterscheinung: 1978)): … Trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, Pößneck: Penguin Verlag. 

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