Es gibt entweder nur ein Denken oder eine Wahrheit

Eine Frage von Mitleser:

Ich hab nicht verstanden, was dich zum Gedanken führt, dass es eine Wahrheit gibt. Würde mich freuen, wenn du deine Gedanken dazu etwas ausführen würdest, es ist für mich ein sehr relevantes Thema aktuell :)

In meiner Auseinandersetzung mit vielen bedeutenden Schriften und Glaubenssystemen, wie Nietzsches System oder dem Buddhismus, stelle ich fest, dass ich auf unglaublich viele Ähnlichkeiten stoße.

Es scheint als liegen allen grundlegende Wahrheiten zu Grunde. Man könnte also sagen, dass viele große Denker Wahrheiten nicht erfinden, sondern vielmehr entdecken.

Eine Wahrheit kann man nur entdecken, wenn sie auch schon vorher da war. So ist die Differenz gemeint:

  1. Man erfindet Neues.
  2. Man entdeckt Altes.

Wenn ich mir die Zeit nehme und über begriffliche Zusammenhänge nachdenke und in diesem Bereich forsche, also philosophische Begriffsarbeit tätige, stelle ich häufig ähnliche Fälle fest:

  1. Ich komme auf gleiche Ergebnisse, wie die großen Denker und Glaubenssysteme, die ich bereits kenne.
  2. Ich komme auf Ergebnisse, die ich bei großen Denkern und Glaubenssystemen neu kennenlerne, aber vor allem auf meinem eigenen Denken fußen.

Diese beiden Fälle führen zu zwei Annahmen:

  1. Durch menschliches, rationales Denken ist nur eine Version der Wahrnehmung auf die Welt möglich. Die großen Denker, Glaubenssysteme und ich kommen zu gleichen Ergebnissen, weil unsere Wahrnehmungs- und Denkensapparate auf ähnliche Weise funktionieren und ähnliche Versionen der Welt konstruieren.
  2. Es gibt eine grundsätzliche vom menschlichen Denken unabhängige Wahrheit und das menschliche, rationale Denken ist in der Lage, wenigstens in die Nähe dieser Wahrheit zu kommen.

Warum Donner und Pflicht manchmal wie Buddhismus klingt

Nietzsche hat über Schopenhauer den Buddhismus kennengelernt, während Schopenhauer sich vom Buddhismus hat inspirieren lassen. Nietzsche ist eine sehr wichtige Quelle für mein Denken. So ist es nicht verwunderlich, dass viele meiner Gedanken dem buddhistischen Gedankengut ähnlich sind.

Vieles ist aber auch schlichte Begriffsarbeit, so wie ich sie als Verpflichtung eines praktizierenden Philosophen verstehe. Das führt für mich zum Gedanken, dass es entweder eine Wahrheit gibt oder wenigstens eine vom menschlichen Verstand annehmbare Version der Welt.

Für den kleinen intellektuellen Hunger zwischendurch:

http://nation.lk/online/2015/08/08/nietzsche-on-buddhist-philosophy/

Die Welt ändert sich in uns

Es gibt einen Grund, weshalb ich auf diesem Blog und in diesem Projekt insgesamt nahezu gar nichts über Sozial- und Gesellschaftskritik geschrieben habe, obwohl ich als Antikapitalist bekennender Kritiker der Kultur der modernen ersten Welt bin.

Eine Veränderung der Gesellschaft ist nur möglich, wenn die Individuen gesunden. Man kann nicht erwarten, dass der Körper gesund wird, wenn die Zellen des Körpers krank sind. Gesunde Individuen sind Voraussetzung für eine gesunde Gesellschaft.

Es ist ein utopische Vorstellung über eine zentrale Steuerung ein so komplexes System wie die Gesellschaft, nach unseren moralischen Vorstellungen zu verbessern.

Daher richte ich mich an den Einzelnen und entwickle mit den Mitteln der Philosophie, Psychologie und auch an mir selbst ein System oder wenigsten den Anfang eines Systems, das auch eine Anleitung zur Selbstheilung sein soll.

Hier ein kleines Video, dass zwar keinen direkten Zusammenhang zu diesem Beitrag hat, aber trotzdem der Auslöser für meine Gedanken war:

Über die Ästhetik von Liebe

Jeder, der eine musikalische Ausbildung hat, hat es am eigenen Leib erfahren: Wissen, Analyse und Verstehen schmälern den Genuss an Musik nicht, sondern klärt, weitet und streckt den Blick. Ästhetik ist kein Gefühl. Es ist die Synthese von Gefühl und Verstand.

Die Ästhetik von Liebe ist erst dann und wirklich erfassbar, wenn man nicht nur lernt emotional ehrlich zu sein – vielmehr braucht eine vollkommene Erfahrung von Liebe das verstehen ihrer Logik und Rationalität.

Die Ablehnung von Rationalität, Verstand und Wachheit in der Liebe verschiebt den Begriff in eine kindliche Kategorie, Liebe wird naiv. Das ist zwar schön, aber nicht tief. Schon gar nicht ist sie dann total, was der eigentliche Anspruch von Liebe ist.

Mir ist das nicht genug.

Übung zur Demut

Heute eine ganz einfache Übung zur Demut, die mir sehr geholfen hat und auch immer wieder hilft.

Egozentrik und ein aufgeblähte Ego, im negativen Sinne verstanden, sind eine der typischen Fallen unserer modernen Kultur. Übungen zur Demut zeigen, dass man nur ein Teil unter vielen ist. Gute Übungen zur Demut zeigen dies, ohne den Selbstwert zu untergraben.

Eine solche Übung ist wie folgt:

An 40 aufeinanderfolgenden Tagen solltest du Morgens und Abends das nachfolgende Video ansehen. Wie fliegen auf einem Raumschiff namens Erde durch die unendlichen Weiten des Universums. Klingt esoterisch, aber stell es dir einfach vor und sieh dir dazu das Video an. Berichte, wie es dir nach dem 40 Tagen geht:

Löwen sterben für das Ego

Gerade habe ich von den psychologischen Gründen der Trophäenjagd gelesen. Ein Zahnarzt hat 55.000 Dollar bezahlt, um einen Löwen erschießen zu können.

Ich habe ich gefragt, wieso ich eine solche Abneigung gegen diese Art der Jagd empfinde, aber gegen viele andere Formen der Jagd keine.

Die Antwort hat mir ein hervorragender Vortrag von David Makinster geliefert.

Ich verstehe das Konzept von Liebe als ein grundsätzliches Modell von Beziehung. Wie Beziehungen gestaltet werden, hängt davon ab, wie die Menschen, aus denen diese Beziehung entsteht, gestaltet sind.

Ein Mensch, der vor allem durch Eros angetrieben wird, könnte als gierig oder egoistisch bezeichnet werden. Doch, was ist, wenn dieser Mensch gierig ist, weil er leer ist?

Ein solcher Mensch wird durch Eros angetrieben, weil er selbst danach giert, als wertvoll gesehen zu werden. Er will seine Wert beweisen.

Es ist falsch, anzunehmen, dass sich ein solcher Mensch nicht geliebt fühlt. Schließlich gibt es mehr als die Liebe, um seinen Wert zu bestätigen.

Doch hier finde ich meine Abneigung gegen solche Menschen erklärt:

Ich unterstelle einem Menschen, der auf Trophäenjagd geht, dass er innerlich leer ist und bereit ist einen hohen Preis zu bezahlen, um diese Lehre zu füllen. Dieser Preis sind nicht die 50.000 Dollar. Es ist das Leben eines solchen Tieres.

Der Löwe ist nicht gestorben, weil er eine Bedrohung war, weil er als Nahrung oder Kleidung dienen sollte. Er ist gestorben, weil ein Zahnarzt innerlich leer ist, seinen Selbstwert bestätigen will und dafür bereit ist zu töten.

Dieser Löwe ist gestorben, weil er sich einer Kultur ergeben hat, die uns zu Konsumenten und manchmal auch Jägern aushöhlt.

Arschlöcher und Weicheier

Es gibt zwei Rollenerwartungen an einen Mann:

  1. Er soll dominant und stark sein
  2. Er soll sensibel und rücksichtsvoll sein

Dominanz und Stärke machen den Kern der männlichen Attraktivität aus. Es ist die Rolle des Mannes sich zu behaupten und für Sicherheit zu sorgen. Je mehr Eigenschaften er hat, die ihn als ein Alpha-Männchen qualifizieren, desto attraktiver ist er als Mann.

Doch in einer Liebesbeziehung ist nicht nur das Mann-Frau-Verhältnis wichtig. Darüber hinaus sind es auch zwei Menschen, die sich zueinander hingezogen fühlen (sollten).

Sensibilität und Rücksichtnahme sind zwei dieser Haltungen, die an den Mann als Erwartungen durch die Frau gestellt werden. Er soll eine gute Intuition für ihre Gefühle haben und auch ihre Wünsche berücksichtigen.

Die große Herausforderung für einen Mann ist es, beständig zu entscheiden, auf welche Weise er nun handelt und reagiert. Sollte er nun dominant sein und seinen Standpunkt sein, also Stärke zeigen? Oder sollte er nun vielmehr sensibel sein und den Fokus von seinem Standpunkt auf die Wünsche der Frau verlagern?

Beides gleichzeitig geht nicht.

Wenn man als Mann nun nicht über genug §Bewusstsein (§201501161600) verfügt, dann ist es eine Strategie sich für eine der beiden Haltungen als grundsätzliche Interpretation der Männerrolle zu wählen.

Um sich selbst von einem Verhältnis zur sozialen Umwelt, dass beständige Entscheidungen und Bewusstsein erfordern würde, wird das Selbst reduziert, in dem ein Teil davon, nämlich die Männlichkeit, reduziert wird.

Hier bildet sich dann die Verzweiflung vieler Frauen bei ihrer Suche nach einem geeigneten Partner:

  1. Entweder sind Männer Arschlöcher. Das sind Männer, die sich für einen Weg aus Dominanz entschieden haben, während sie dabei Rücksicht als Möglichkeit ausgeschlossen haben. Typischerweise “fallen” Frauen auf sie herein.
  2. Oder Männer entscheiden sich für den Weg totaler Rücksicht und werden von Frauen als Weicheier oder “gute Freunde” abgetan.

Alles ist eine Botschaft an dich selbst

Egal, was du tust, du sendest dir damit selbst eine Botschaft. Wir befinden uns in einem andauernden Selbstgespräch, in welchem wir uns förderliche oder schädliche Wahrheiten einflüstern. Wir sind unser eigenen Souffleure.1

Ziehen wir zunächst ein Beispiel zu Rate, um dies zu illustrieren:

Nehmen wir an, dass du nur um deines inneren Selbst willen geliebt werden willst. Das ist einer der klassischsten Wünsche unserer heutigen Gesellschaft. Als Gegengewicht zu unserer sehr oberflächlichen und anonymisierenden Kultur, suchen wir nach etwas, das man als Berührung der Seelen verstehen könnte.2

Doch die Strategie, die viele Menschen wählen, um dieses zu ermöglichen, steht im absoluten Widerspruch dazu. Sie investieren sehr viel Mühe in ihre Erscheinung und bauen so eine Hülle auf, die erstmal durchstoßen werden muss, will man das Innere dieses Menschen kennenlernen. Warum sage ich Hülle? Nun, diese neue Erscheinung hat unter anderem folgende Eigenschaften:

Wir stellen unseren Körper anders dar, als er ist. Männer suchen nach T-Shirts, welche die Oberkörpermuskeln betonen und den Bauch verstecken, Frauen tragen Pushup-BHs und hohe Schuhe. Die Intention ist, dass etwas gezeigt wird, was ohne äußere Mittel in der Form nicht vorhanden wäre. Obwohl es eigentlich um etwas Inneres gehen soll, täuschen wir mit Mitteln des Äußeren. Wir verschieben nicht nur den Fokus auf das Äußere, sondern nutzen auch das Mittel der Täuschung. Täuschung verhindert, dass wir uns authentisch sind. Das Wesen der Täuschung ist es, dass Authentizität ausgeschlossen wird.

Was ist die Botschaft, die wir durch ein solches Verhalten an uns selbst senden?

Zunächst vermitteln wir uns selbst den Eindruck, dass Täuschung ein gutes Mittel ist, Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Es funktioniert natürlich. Wenn du hübsch aufgemacht in eine Disko oder Ähnliches gehst, wirst du mit mehr Aufmerksamkeit und Beachtung belohnt. Solange du gegen keine sozialen Konventionen verstößt, die höhere Kosten als ein Aufmerksamkeitsnutzen bedeuten würden, wirst du durch Konditionierung in diese Richtung gedrängt.

Ein Beispiel für ein nicht lohnendes Verhalten wäre es, nur mit einem Bodypainting in die Disko zu gehen. Die Nacktheit wäre sozial sanktioniert und würde wahrscheinlich den Aufmerksamkeitsnutzen zunichte machen. (Bei Mann und Frau aus unterschiedlicher Begründung)

Wenn die Täuschung durch Aufmerksamkeit belohnt wird, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir diese Täuschung wiederholen. Das heißt, dass wir uns immer häufiger sagen, dass Täuschung ein gutes Mittel ist. Die Botschaft an uns selbst wäre: Nicht authentisch zu sein ist gut, denn sie führt zu Aufmerksamkeit und Beachtung.

Eine weitere Botschaft, die wir so an uns selbst richten, könnte sein, dass unser Inneres nicht genug ist, um Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Wir brauchen die Hilfe des Äußeren, um Defizite unseres Inneren auszugleichen.

Ein möglicher Einwand könnte lauten: Ist es nicht so? Man sieht doch erstmal nur das Äußere! Das ist zweifellos richtig. Das heißt aber nicht, dass wir diese Botschaft nicht weiter an uns senden. Vielmehr leben wir in einer Kultur, in welcher das Senden einer solchen Botschaft gefördert wird.

Hier entblößen sich die versteckten Kosten einer oberflächlichen Kultur. Eine solche Kultur fördert es, dass sich seine Mitglieder selbst unterwandern und sich selbst einreden, dass ihr Selbst grundsätzlich nicht genug ist.

Es ist ein Zeichen von Gesundheit, sich einer kranken Gesellschaft nicht zugehörig fühlen zu wollen.

Verlassen wir nun das Beispiel und wenden uns dem allgemeinen Prinzip zu, dass dem zu Grunde liegt.

Indem wir handeln, reden und denken, interagieren wir mit unserem mentalen Modell der Welt.

Wenn du beispielsweise über die Straße gehst und vorher nach links und rechts guckst, bestätigst du das Konzept von Straßensicherheit, die Möglichkeit eines Unfalls und so weiter.

In diesem Modell befindest du dich selbstverständlich auch. Du bist notwendigerweise der Mittelpunkt dieser Welt, weil du für dich das einzige Subjekt sein kannst. Es gibt nur ein Du.

Das bedeutet, dass du dich durch die Modellierung der Welt in ein bestimmtes Verhältnis zur Welt setzt. Im Straßenbeispiel setzt du dich und die Welt unter anderem in ein Bedrohungsverhältnis. Du räumst dem Überfahrenwerden eine relevante Möglichkeit zu. Diesem Bedrohungsverhältnis begegnest du mit der entsprechenden Haltung: Du passt auf.

Was könnten Botschaften an dich selbst sein? Das hängt von vielen Faktoren ab. Die Botschaften können auch unterschiedlich intensiv sein.

Wenn du psychisch nicht weiter auffällig bist, wird die Botschaft relativ einfach sein: Ich passe auf, weil der Straßenverkehr seine gefahren birgt.

Falls du psychisch dagegen instabil bist, könnte die Botschaft sehr viel intensiver sein: Die Welt ist ein Ort ständiger Bedrohung und ich darf auf nichts und niemanden vertrauen.

Beides sind mögliche Botschaften und welche du am Ende an dich selbst sendest, einfach nur beim Überqueren der Straße, hängt davon ab, wie du und deine Welt strukturiert ist.

Das Beachten dieses Zusammenhangs erweitert allerdings das Bewusstsein. Das heißt, dass du deinem Verhältnis zur Welt nicht passiv gegenüberstehst.

Bewusstsein ist die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen. Wenn du erkannt hast, wie du Botschaften sendest, kannst du dich an diesen Stellen anders entscheiden.

Kehren wir zurück zum Beispiel mit der Disko. Du könntest anfangen dein Aussehen weniger stark zu verändern und so weniger zu täuschen.

Du könntest aber auch das ganze Konzept in Frage stellen und feststellen, dass das Innere selbstverständlich defizitär ist, weil das Äußere ebenfalls Teil deiner Selbst ist. Erst durch die Trennung einer Hülle von einem “wahren” aber inneren Selbst, wird es im obigen Beispiel möglich, das Selbst als defizitär zu sehen. Wenn das Selbst auch das Äußere umfasst, ist die Konzentration auf das Innere notwendig defizitär. Damit ist es nicht selbst defizitär, sondern wir machen einen Fehler, wenn wir von einem “wahren”, aber inneren Selbst ausgehen.

Die Botschaft und auch die vernünftigen Handlungen wären andere.

Wenn du nicht durch modische Tricks deinen Körper anders darstellst, aber gleichzeitig der Meinung bist, dass dein Körper seine Rolle für dein Selbst spielen soll, bleibt dir nichts weiter übrig, als deinen Körper selbst zu verändern, wenn du deine Lage verbessern willst. Vielleicht fängst du mit einem Trainingsprogramm an oder änderst deine Ernährungsgewohnheiten.

Was ist eine Botschaft an dich selbst?

Handeln, Reden und Denken sind Botschaften. Botschaften sind Informationen über dich, deine Welt und dein Verhältnis zu ihr. Diese Informationen haben einen anderen Wahrheitsgehalt als beispielsweise mathematische Aussagen.

Während man wenig Zweifel daran haben kann, dass gilt 1+1=2,3 ist es sehr wohl zu bezweifeln, ob die Welt ein gefährlicher Ort ist. Ebenso kann bezweifelt werden, ob die Welt ein sicherer und schöner Ort ist.

Diese Aussagen sind nicht in einem wissenschaftlichen Sinne wahrheitsfähig. Sie sind lediglich subjektiv wahrheitsfähig und wenn sich dieses Subjekt und seine Welt ändern, ändern sich diese Aussagen.

Du kannst selbst entscheiden, welche Botschaften du dir selbst sendest. Dazu musst du nur wachen Geistes durch deine Welt zu gehen.


  1. Das sind die Leute, die den Theaterschauspielern Stichworte zuflüstern, wenn diese mal ins Stocken geraten. 

  2. Ein klassisches Symbol der Filmwelt dafür ist der Mensch, der als überaus makelbehaftet dargestellt wird, trotzdem aber und auch gerade wegen seiner Makel geliebt wird. Ein Beispiel dafür ist der Charakter Albert Brennaman im Film Hitch 

  3. Wenn wir andere Axiome zu Grunde legen, gilt das natürlich nicht, aber wir wollen das Beispiel nicht unnötig kaputt machen, nicht wahr? 

Meisterschaft und Vervollkommnung

Meisterschaft ist ein besonders hoher Fertigkeitsgrad. Jemand ist ein meisterhafter Bogenschütze, wenn er den Pfeil eines anderen mit einem Schuss spalten kann.

Ido Portal spricht von drei Stufen der Übung, wobei Improvisation die Höchste ist:

Die erste Stufe ist Isolation. Das heißt, dass man einen bestimmten Teilaspekt herausnimmt und diesen übt.

Ein Boxer könnte zum Beispiel ein isoliertes Rumpftraining absolvieren, um seine Rumpfstabilität zu verbessern.

Ein Klarinettist dagegen könnte sein Lungenvolumen durch Atemtechniken vergrößern, so dass er die Intervalle zwischen den Atemzügen vergrößern kann.

In der zweiten Stufe, der Integration, fügt man die neugewonnene Teilfertigkeit in sein bereits vorhandenes Repertoire ein.

Ein Boxer übt dann vielleicht Kombinationen, die er durch seine verbesserte Stabilität der Wirbelsäule schneller ausführen kann. Er macht sich mit seinem neuen Repertoire vertraut.

Ein Klarinettist überdenkt und übt bereits gelernte Stücke und wägt neu ab, an welcher Stelle er Atmen muss, wie er sein Spiel verändern kann, wenn er auf die neue Ressource zurückgreifen kann.

Die letzte Stufe, die Improvisation, bedeutet, dass man sich nun von Moment zu Moment treiben lässt und seine Handlungen durch die Vorhergehende bestimmten lässt. Zu improvisieren bedeutet spontan von Handlung zu Handlung zu gleiten.

Ist Improvisation wirklich die höchste Stufe der Praxis?*

Ido Portal ist davon überzeugt. Er sagt:

Improvisation ist die höchste Form des Lebens. […] Sie wird auch als “The Zone” oder “The Tunnel” bezeichnet. Du erlebst diese Sache, leer zu sein, die Dinge durch dich geschehen zu lassen. Wie Bruce Lee sagt: Ich schlage nicht, es schlägt. Es passiert einfach.

Ein anderer Begriff für dieses Empfindung ist der Flow, wie ihn der Psychologie Csikszentmihalyi geprägt hat. Es ist das vergessen der Zeit in der Tätigkeit und dem völligen Aufgehen in der eigenen Handlungen.

Wenn wir davon ausgehen, dass The Zone das gleiche Phänomen meint wie der Flow, und Ido Portal so verstehen, als wäre der Flow der höchste mentale Zustand, der ausschließlich mit der höchsten Ausführung seiner Profession einhergeht, ist Ido Portals Aussage falsch.

Er identifiziert den Flow mit der Empfindung mit Improvisation. Um Ido Portal zu widerlegen, brauchen wir ein Beispiel, in welchem wir einen Flow-Zustand erreichen können, aber nicht improvisieren.

Ein einfaches und zugleich wichtiges Beispiel ist die Meditation. Gerade wiederholende Tätigkeiten wie das Wiederholen von Mantras und die reine Konzentration auf den Atem dienen dazu, dich in einem mentalen Zustand zu versetzen, den Ido Portal für die Improvisation reserviert hat.

Wenn auch ein einfaches Langlauftraining nicht die Spontanität einer Ballett-Improvisation hat, bietet es nichtsdestotrotz eine Eintrittspforte zum Flow. Passionierte Läufer werden dieses Gefühl von Leere und dem Aufgehen in der Tätigkeit sofort bestätigen können.

Welchen Wert hat Improvisation dann für die Meisterschaft und die damit verbundene Übung?

Es ist ein internes Kriterium. Das heißt, dass der Zustand der Improvisation keine Verpflichtung ist, die aus der Vervollkommnung erwächst.

Ist ein Ballett-Tänzer vollkommener als ein Radfahrer? Ist ein Jazz-Musiker vollkommener als ein Taktangeber im Ruderboot?

Sicherlich ist ein Ballett-Tänzer vom Standpunkt der Bewegungskomplexität besser als ein Marathonläufer. Auch ein Jazz-Musiker dringt sicherlich tiefer in die Welt der Musik ein als der Taktgeber eines Ruderboots. Doch reden wir hier von der Meisterschaft einer Fertigkeit. Vervollkommnung ist etwas anderes.

An diesem Beispiel sehen wir deutlich den Unterschied zwischen Meisterschaft und Vervollkommnung.

Die Meisterschaft einer Person kann nur vor dem Hintergrund einer fachinternen Skala bewertet werden. Ein Ballett-Tänzer mag sich allgemein besser bewegen können als ein Marathonläufer, aber man kann nicht abschließend sagen, ob dies nun wertvoll ist.

Ein Ballett-Tänzer ist sicherlich ein Meister der Bewegung, während ein Radfahrer, wenn er nichts anderes macht, sicherlich weniger kompetent in Bewegung überhaupt ist. Doch ein Radfahrer hat sicherlich eine höhere Ausdauer. Je nachdem, welches Kriterium hier angelegt wird, stellt sich die Bewertung dar.

Vervollkommnung ist dagegen der moralische Imperativ, der sich aus dem Wunsch ergibt, sein Leben mit Sinn zu erfüllen. Jemand ist vollkommener, wenn er den Sinn seines persönlichen Weges deutlicher erkennt und ihm treuer bleibt.

Weil Vervollkommnung des Weiteren ein Prozessbegriff ist, kann man die Meisterschaft eines Menschen nicht als Maß für seine Vollkommenheit wählen.

Selbst, wenn wir annehmen, dass zwei Menschen die gleiche Meisterschaft anstreben, der eine aber deutlich fortgeschrittener ist als der andere, können wir nicht sagen, dass der eine der vollkommenere ist.

Ein Anfänger, der seinen Weg erkannt hat und ein Vehikel benutzt, um sich selbst zur Entfaltung zu bringen, ist vollkommener als ein Naturtalent, das in Sinnlosigkeit seines Lebens ertrinkt.

Der schlechteste Läufer kann so vollkommener sein als der beste Ballett-Tänzer.

Das ist der Unterschied zwischen Meisterschaft und Vollkommenheit.

Macht und doch Gleichberechtigung?

Heute sind an einen Mann zwei konträrer Anforderungen gesetzt:

  1. Auf der einen Seite soll er dominant und überlegen sein, denn das wirkt auf Frauen anziehend.
  2. Auf der anderen Seite soll er die Frau als gleichwertige Partnerin akzeptieren. Das ist eine soziale Norm unserer heutigen Kultur.

Für einen Mann ist dies eine sehr seltsame Anforderung und viele Männer umgehen diese Herausforderung, indem sie sich für eine Seite entscheiden.

Die eine Möglichkeit ist den Anspruch an die Gleichwertigkeit der Frau aufzugeben. Frauen stehen eben auf Arschlöcher, so heißt es im Volksmund. Ein sogenanntes Arschloch kann hat immerhin noch Erfolg bei den Frauen, weil er über irgendeine Form von Integrität und Dominanz verfügt. So wird er durch seinen Erfolg bei den Frauen auf das Arschlochsein konditioniert. (Das heißt nicht, dass man nicht auch als Nichtarschloch attraktiv sein kann und auf dieses Verhalten konditioniert wird)

Die andere Möglichkeit ist es Dominanz und Überlegenheit aufzugeben. Das sind die sogenannten Kumpeltypen. Frauen lieben sie – als Freunde. Sie erhalten ebenfalls viel positive soziale Sanktionen. Sie sind netten und freundlichen Männer, die von Frauen zwar gemocht, aber nicht für attraktiv befunden werden.

Sollte man diesen konträren Anforderungen gerecht werden?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir betrachten, woher die Anforderungen kommen.

Die erste Anforderung scheint eine eher evolutionär-psychologische Anforderung zu sein. Ein dominantes Männchen signalisiert eine hohe Potenz und eine hohe Überlebens- und Fortpflanzungswahrscheinlichkeit. Im Tierreich finden wir immer wieder das gleiche Muster. Der Silberrückengorilla , der Löwe mit seiner Mähne oder der Hirsch mit seinem Geweih sind Beispiele dieser Version von Geschlechterdifferenz. Wir Menschen fallen anscheinend in das gleiche Schema. Alleine der körperliche Unterschied zwischen den Geschlechtern spricht dafür, dass auch körperliche Stärke ein wichtiges Attraktionsmerkmal für Männer ist. Aber auch Macht, Status und Dominanz sind ebenfalls klassische Merkmale eines attraktiven Mannes.

Die zweite Anforderung scheint eher eine Folge der modernen Version von Gleichberechtigung der Frau zu sein. Den Frauen sind, wenigstens oberflächlich,1 die gleichen sozialen Positionen geöffnet, wie den Männern.

Vor dem Hintergrund einer Partnerschaft, also einem intimen Verhältnis auf Augenhöhe, kann dies auch eine moralische Anforderungen an eine Beziehung sein.

Wenn man eine Frau als gleichwertige Partnerin haben will, gilt es Machtverhältnisse auszugleichen. Ein dauerhaftes Machtgefälle steht einem Gleichwert entgegen, wenigstens solange Macht einen Beitrag zum Selbstwert leistet.

Weil es in der subjektiven Wahrnehmung höchstwahrscheinlich so ist, dass man den Selbstwert aus dem eigenen Vermögen (hier im Sinne von Macht und nicht von Geld) bezieht, braucht man nicht einmal einen moralischen Anspruch zu Grunde legen.

Es sind reale Anforderungen: Auf der einen Seite bedeutet Macht Selbstwert in der subjektiven Selbstwahrnehmung, während auf der anderen Seite ein Machtgefälle in Form von Dominanz ein wichtiges Moment der zwischengeschlechtlichen Anziehung ist.

Es ist ein Dilemma, dass eine Auswirkung auf die psychische Gesundheit hat. Hier liegt ein Widerspruch in Form von sozialen und psychischen Anforderungen an das Individuum vor.

Wie kann man diesen konträren Anforderungen widerspruchsfrei gerecht werden?

Eine Möglichkeit habe ich oben bereits genannt. Wir können einen der beiden Ansprüche aufgeben.

Eine andere Möglichkeit ohne Aufgabe einer der Widersprüche wäre es, den Machtanspruch auf bestimmte Bereiche zu begrenzen.

Klassisch wäre es, dass der Mann außerhalb des gemeinsamen Haushalts eine Führungsrolle übernimmt, während die Frau diese Führungsrolle innerhalb des gemeinsamen Haushalts übernimmt.

Die klassische Rollenverteilung kann demnach eine Möglichkeit sein beiden Ansprüchen gerecht zu werden.


  1. Dass Frauen weniger in Führungspositionen zu finden sind und für gleichqualifizierte Arbeit schlechter bezahlt werden, spricht dagegen, dass dies auch tatsächlich der Fall ist.